Der letzte Wolf in der Menzer Heide

Der letzte Wolf in der Menzer Heide

Der letzte Wolf in der Menzer Heide

von Diplom-Historiker Carsten Dräger

Zu einem Brief des Forstamtes Zechlin an den Königlichen Oberförster Magnie in Menz

Archiv: August Schwabe Menz
Archiv: August Schwabe Menz

Menz: Um 1800 galt der Wolf, der seit Jahrhunderten in unseren Wäldern und Heidelandschaften seinen natürlichen Lebensraum hatte, in unserer Region quasi als ausgerottet und verschwand von der Bildfläche. Wölfe wurden schlichtweg als gefährliche Räuber betrachtet und galten als permanente Gefahr für das jagdbare Wild und das Nutzvieh. Das Schüren der Ängste vor dem eigentlich scheuen Tier führte gar so weit, dass es als „menschenfressende Bestie“ stigmatisiert wurde, frei nach dem Motiv des Märchens „Rotkäppchen“, in welchem der Wolf die Großmutter verschlingt. Im Winter 1807/08 tauchte nun plötzlich ein Wolf, wahrscheinlich ein aus dem Osten eingewanderter Jungrüde, in unseren Breiten auf. Das Tier hinterließ deutlich sichtbare Spuren im Schnee und wurde von Personen an verschiedenen Orten des nördlichen Ruppiner Landes mehrfach gesichtet. Ein Brief des Königlichen Preußischen Forstamtes Zechlin, in dessen Zuständigkeit die Förstereien und Wälder um Rheinsberg, Menz und Globsow damals lagen, gibt einen detaillierten Einblick zu diesem Sachverhalt. Das Rundschreiben, datiert auf den 7. März 1808, ging per Brief auch dem Menzer Oberförster Magnie zu. Darin stand: „Nach dem hier eingegangenen Bericht des Oberförsters Köllner zu Zühlen vom 6ten d. M. (6. März 1808-d.A.) ist ein Wolf in der dortigen Forst gesehen worden, welcher wahrscheinlich derselbe ist, der ohnlängst bei Bernau gesehen worden, welches die Königliche Kammer dem Forstamte Ruppin mittels Verfügung vom 2ten d. M. bekannt gemacht und zugleich aufgegeben hat, die Unterförster und Revier-Jäger sowie auch die benachbarten Eigenthümer deshalb sofort aufmerksam zu machen, und dass, wenn der Wolf sich spüren lassen sollte, diesem durch Treib-Jagden habhaft zu werden suchen möchten…“

©Rain Carnation_pixabay
©Rain Carnation_pixabay

Fazit: Der Wolf sollte unbedingt zur Strecke gebracht werden. In einem weiteren Brief des Menzer Oberförsters Magnie an das Kgl. Forstamt Zechlin vom 14. April 1808 ist zu erfahren, dass der Wolf, bei dem es sich wahrscheinlich um den schon im Zühlener Revier gesichteten Einzelgänger handelte, nun im Menzer Forst zugange sei und nachweislich bereits drei Rehe gerissen habe.

Infolge dessen wurde Ende April eine Treibjagd im Waldgebiet zwischen Menz, Altglobsow und Burow abgehalten. Sie blieb allerdings „ohne Erfolg“, wie Magnie resümierte. Sogar in Gransee wurde mobil gemacht. Treiber wurden in der Stadt und den benachbarten Dörfern rekrutiert, um im damals noch auf dem so genannten „Wendefeld“ befindlichen  Granseer Stadtwald und im „Bürgerholz“ den Wolf aufzustöbern. Bei Burgwall und Zehdenick sollte er in so genannten „Wolfsgruben“ lebend gefangen werden, um ihn dann töten zu können. Doch alles Bemühen blieb ohne Erfolg. Das schlaue Tier zog sich wieder in die Schorfheide zurück. Aber auch dort stellte man dem Raubtier permanent nach, bis es schließlich im Jahre 1809 in einem Wald bei Joachimsthal erlegt wurde. An diesen Abschuss des vermutlich „letzten Wolfes“ vor mehr als 200 Jahren erinnert noch heute ein Findling am Ort des Geschehens.

Carsten Dräger: Seit mehr als 30 Jahren befasst sich der Schulzendorfer Carsten Dräger mit der Geschichte von Brandenburg-Preußen und der Region im Ruppiner Land. An der Universität Potsdam studierte er Geschichte und Germanistik und machte seinen Fachabschluss als Diplomhistoriker. Carsten Drägers  Leidenschaft ist die Heimatsgeschichte. So bereicherte Carsten Dräger schon die Menzer Fotoausstellung 2015 mit zahlreichen Bildern und ist häufiger Gast bei den Veranstaltung der AG Dorfgeschichte.

Ein schönes Weihnachtsgeschenk ist in diesem veranstaltungsarmen Jahr sein Beitrag Der letzte Wolf in der Menzer Heide. Die Sütterlingruppe hatte das Dokument bereits transkribiert, doch erst durch die fachliche Einordnung und das Hintergrundwissen von Carsten Dräger ergibt sich nun ein rundes Bild.

 

©Rebecca Kiessling
Foto: ©Rebecca Kiessling

p.s.
Der Wolf war eines der am weitesten verbreiteten Säugetiere der Erde. Galt in der römischen Sage die Wölfin noch als Ernährerin von Romulus und Remus, den Stadtgründern Roms, so wurde der Wolf in Deutschland im 18. bis 19. Jh. ausgerottet. 200 Jahre dauerte es, bis der Wolf in Brandenburg wieder heimisch wurde. 2009 wurden erstmals Wolfswelpen in in freier Wildbahn aufgezogen. Seitdem ist der Bestand kontinuierlich angewachsen. Die Wiederbesiedlung Brandenburgs und Deutschlands wird begleitet, dokumentiert und ist eingebunden in das bundesweite Wolfsmonitoring, ist aber auch heute schon wieder umstritten.