Ein Menzer Morgenstein
Ein neues Exponat bereichert das Menzer Dorfarchiv. Ein Morgenstein, eine Schenkung von Reta Flütsch und Reimund Alheit. Gefunden wurde er bei Aufräumarbeiten auf dem Boden des Stallgebäudes in der Lindenstraße 11 in Menz.
Die Verzierungen und Fußabdrücke von Kindern, die vor dem Brennvorgang vollzogen wurden, faszinierten uns sehr. Die Darstellung der Sonne in Verbindung mit den Kinderfüßen ließen einige Phantasien entstehen. Wofür stand dieser Dachstein? Die Bezeichnung Morgenstein kannten wir noch nicht. Hatte jedes Dach so einen Stein, sollte er dem Bauherrn Glück bringen, verbunden mit Kindersegen und Sonnenschein, zeigte er einen bestimmten Hersteller oder eine bestimmte Charge? Fragen über Fragen. Aber auch ohne eine Antwort zu finden waren wir von der Schlichtheit und der phantasievollen Ausführung beeindruckt. Zum Menzer Waldfest 2018, war er schon auf dem Tisch der AG Dorfgeschichte des Dorfverein Menz präsent. Viele Besucher bestaunten unser Exponat und immer wieder kam es zu Mutmaßungen und Erklärungsversuchen.
Doch wie so oft brachte uns ein Zufall auf die richtige Spur.
Am 16. September 2018 veranstaltete der Dorfverein Menz eine Lesung mit der Schriftstellerin Regina Scheer. Eingebettet in der idyllischen Umgebung der Menzer Streuobstwiese las sie aus ihrem Buch „Machandel“. Eine wunderbare Veranstaltung, alles passte, die Autorin, das Buch, die Umgebung und auch wichtig, das Wetter. Einige kannten das Buch und bei denen die es noch nicht kannten wurde die Neugierde entfacht. Ich war bestimmt nicht der Einzige, der auf schnellsten Wege in eine Buchhandlung eilte. Ja, und dann wurde ich bei der Lektüre des Romans auf den Morgenstein gestoßen. Hier die wichtige Stelle auf Seite 78 im Roman „Machandel“ von Regina Scheer.
Einer der Fußbodensteine war sogar ein Morgenstein. Früher kam das Baumaterial aus den Ziegeleien, die es hier überall gab, der erste Stein vom ersten Brand nach der Winterpause, der Morgenstein, bekam eine Verzierung. Dieser hier zeigte eine Sonne und den Abdruck einer Kinderhand. Unter dem gummiartigen Schmutz war er nicht zu erkennen gewesen. Eigentlich fand man solche Morgensteine nur in den Giebeln sehr alter Häuser, wahrscheinlich hatte man diesen vor hundertfünfzig Jahren, als der Schafstall zum Wohnhaus umgebaut wurde, aus einem Abrisshaus geholt. Ich schabte, bürstete und wusch den Stein sauber, rief die Kinder. Gemeinsam betrachteten wir die Sonne und die Hand, stellten uns das Kind vor, zu dem sie einmal gehörte hatte. Die Mädchen legen ihre eigenen rechten Hände auf den Abdruck und die der siebenjährigen Julia passte.
So fand ich bei der Lektüre des Romans die Erklärung für unseren reich verzierten Dachstein. Auch wenn es sich bei dem im Roman beschriebenen Morgenstein um einen Fußbodenstein handelt und den Abdruck einer Kinderhand zeigt, ist es eindeutig, dass wir im Menzer Dorfarchiv einen Morgenstein haben.
Joachim Zillmann